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Zur Geschichte der Eisenhütte Mägdesprung

In den letzten Jahren des Dreißigjährigen Krieges entstand im anhaltischen Unterharz mit der „Eisenhütte unterm Mägdesprung“ eines der markantesten Gemeinwesen der damals strukturbestimmenden Harzer Montanindustrie. Gebunden an die Wasserkraft entstanden im Laufe der Jahrhunderte an den Ufern der Selke die Hütte mit der Gießerei und verschiedenen Werkstätten, sowie Frisch- und Blau- und Stahlhämmer auf einer Länge von etwa 5 km. Es gab von Beginn an eine Schenke, später kamen eine Post und ein Krämer hinzu. Es entstanden Arbeiterwohnungen, Schule, Kirche und ein Friedhof. Während andere Eisenhütten am Rande der Städte oder Ansiedlungen entstanden und im Laufe der Zeit von diesen aufgenommen wurden und mehr oder weniger verschwanden, entstand das in sich geschlossene Gemeinwesen der Eisenhütte Mägdesprung völlig isoliert und ist heute noch als solches erkennbar und größtenteils erhalten. Damit dürfte es in Deutschland einzigartig sein. Ein einziges Gebäude, das zu DDR-Zeiten entstandene Gebäude des Konsums, wurde im 20. Jahrhundert gebaut, alle anderen stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Schule, die 1905 die alte, zu klein gewordene Schule ersetzte, ist allerdings 1905 erbaut worden, passt sich aber im Baustil den anderen Hüttengebäuden an.

 

Die Eisenhütte Mägdesprung ist eingebettet in das landschaftlich so reizvolle Selketal. Ilse, Bode und Selke haben im Osten des Harzes drei markante Täler geschaffen, von denen das Selketal das lieblichste ist, besungen von den Dichtern der Romantik wie Heine, Andersen, Eichendorf u.a. Mägdesprung ist, wie auch Alexisbad und Silberhütte, die weiter oben im Selketal liegen, ein Ortsteil der Stadt Harzgerode, die oberhalb des Selketals auf der Mansfelder Hochfläche liegt und das "Zentrum des Unterharzes" bildet. In kaum einer anderen Region in Deutschland gibt es eine solche Vielfalt von Naturschönheiten, geschützten Biotopen, nennenswerten Geotopen und historischen Sehenswürdigkeiten. Geschichtsträchtige Burgen, wie die Burg Anhalt und die Burg Falkenstein liegen im Selketal. Industriegeschichte par exzellence wurde hier geschrieben: Der historische Bergbau, das Hüttenwesen, die Gießereitechnik, erst der Eisenguss, später der Aluminiumguss und die Pyrotechnik prägten die Region. Eine der schönsten deutschen Schmalspurbahnen, die Selketalbahn, unterstützte am Ende des 19. Jahrhunderts die industrielle Entwicklung im Tal und ist heute eine touristische Attraktion, deren Bedeutung durch die 2006 erfolgte Einbeziehung der Weltkulturerbestadt Quedlinburg in das Streckennetz weiter gestiegen ist.

 

Nachdem 1635 das kleine Fürstentum Anhalt-Bernburg-Harzgerode durch Erbteilung entstanden war, wollte der damalige Fürst Friedrich (1613 – 1670) seinem Ländchen eine merkantilistische Wirtschaft geben, um auch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu überwinden. Der Bau einer Eisenhütte in Mägdesprung schien geboten, zumal die Voraussetzungen dafür, wie das Vorhandensein von Eisenerz in der Nähe, die Wasserkraft der Selke, das Holz bzw. die Holzkohle aus den Wäldern, das kaufmännische Wissen und die finanzielle Stärke des Quedlinburger Kaufmanns Johann Heydtfeld, der an einem solchen Unternehmen interessiert war, gegeben waren. So kam es am 9.11.1646 zu einem Vertrag zwischen Fürst und Kaufmann, der zur Gründung der "Eisenhütte unterm Mägdesprung" führte. Der wirtschaftliche Erfolg stellte sich aber nicht ein, sodass Heydtfeld schon 1652 die Hütte einer Gewerkschaft überließ, die sich um die Hebung des anhaltischen Bergbaus bemühte. Da auch deren Bemühungen erfolglos blieben, erwarb schließlich 1657 Fürst Friedrich die Hütte zum Selbstkostenpreis und vergab sie als Erbzinslehen an Friedrich Christian Arens, der Eisenfactor in Sorge war. Dieser errichtete etwa 1662 den ersten Hochofen. Nach dem Tode von Arens ging die Hütte 1690 unter seinem Sohn in Konkurs. 1696 ersteigerte Johann Kaspar Kaufmann aus Kelbra die Hütte als Erbzinslehen für 3500 Taler.

 

1709 fiel das kleine Fürstentum Harzgerode nach dem Tod von Fürst Wilhelm (1643-1709), dem Sohn und Nachfolger von Fürst Friedrich, wieder an Anhalt-Bernburg zurück, weil die Ehe Fürst Wilhelms kinderlos geblieben war. 1710 ging der Kaiserliche Rat Kaufmann in Konkurs und die Hütte kam für 4700 Taler an Fürst Viktor Amadeus von Anhalt-Bernburg (1700-1765). Mit dieser Erwerbung waren nun Eisenbergbau und Eisenverhüttung in einer Hand, so wie das bereits vorher bei der Silbergewinnung der Fall war. Trotzdem wurde unter Fürst Viktor die Eisengewinnung nicht wieder aufgenommen. Vielmehr wurden die Anlagen in Mägdesprung nun auch für die Silbergewinnung genutzt. Die Wasserkraftanlagen betrieben außerdem eine Papiermühle, später noch eine Mahl- und eine Ölmühle. 1729 wurde dann die gesamte anhaltinische Silberverhüttung im damals gegründeten Ort Silberhütte konzentriert. Erst für 1757 ist in Mägdesprung wieder eine Verhüttung von Eisen belegt.

 

1765 übernahm Fürst Friedrich Albrecht von Anhalt-Bernburg (1735-1796) die Regierung und verlegte den Regierungssitz nach Ballenstedt. Die direkte Einflussnahme durch den Fürsten machte sich in einem Aufschwung in Mägdesprung bemerkbar. 1769 entstand das "Neue Werk" im heutigen Ortsteil Drahtzug. Damit wurden nun nicht nur Halbfabrikate, sondern auch Endprodukte, wie Beile, Pflugscharen, Hämmer, Gewehrläufe usw., erzeugt. Etwa 1780 setzte durch bessere Erze aus der Grube Tilkerode eine Blütezeit der Verhüttung ein, die einen Ausbau der Hütte erforderlich machte: 1780 entstanden der I. und der II. Friedrichshammer mit je einem Frischfeuer, 1781 wurde auf den Grundmauern der alten Faktorei das neue Verwaltungsgebäude gebaut, 1782 folgte der III. Friedrichshammer mit Blauofen, Frischfeuer und Schwarzblechhammer, sowie ein Stahlhammer zwischen dem Neuen Werk (Drahtzug) und Mägdesprung.1786 wurde dann der IV. Friedrichshammer mit einem Frischfeuer gegründet. 1787 wurde aus der Blankschmiede im Neuen Werk eine Drahtzieherei. Der Absatz der zahlreichen Produkte erfolgte über ein ausgedehntes Niederlagensystem.

 

1796 kam Fürst Alexius Friedrich Christian (1765 – 1834) an die Regierung. Er setzte nun Hüttenbeamte ein, als ersten den Oberbergrat Johann Friedrich Schlüter, der das Amt von 1797 bis 1819 ausübte.1809 wurde ein Hochofen errichtet, der u.a. die Voraussetzung für die Errichtung des berühmten Mägdesprunger Obelisken war. 1806 erhielt Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg die Herzogwürde. Die Hütte nannte sich nun "Herzogliche Eisenhütte Mägdesprung". In dankbarer Erinnerung an seinen Vater, Fürst Friedrich Albrecht von Bernburg-Anhalt, ließ Herzog Alexius 1812 den Obelisk errichten, der fortan das Gesicht von Mägdesprung prägte, auf unzähligen Stichen dargestellt wurde und damit Mägdesprung in Europa bekannt machte.1820 folgte als Nachfolger Schlüters der Bergmann und Mineraloge Johann Ludwig Carl Zincken. Er schuf die Voraussetzungen, dass 1821 der Kunstguss aufgenommen werden konnte. 1825/27 wurde ein Fabrikgebäude gegenüber dem Verwaltungsgebäude, die heutige "Alte Fabrik", gebaut, 1828 ein Wohnhaus für den Direktor Zincken. 1829 wurde das Carlswerk oberhalb des I. Hammers zur Erweiterung des Maschinenbaus errichtet, 1830 bekam Mägdesprung ein Kirche und 1833 wurde mit der Einweihung des Friedhofs am III. Hammer die Erneuerung der Hütte vorläufig abgeschlossen.

 

Die neuen Gebäude, Werkstätten und Hämmer, die im Zeitraum von 1780 bis 1830 erbaut wurden, geprägten das heutige äußere Erscheinungsbild der Eisenhütte Mägdesprung, bzw. des Ortes Mägdesprung: Ein in sich geschlossenes, funktionales Gemeinwesen, das ausschließlich der Eisengewinnung und -verarbeitung diente.

Abb. 1 „Mägdesprung im Selkethale“

Abb. 1 „Mägdesprung im Selkethale“,kolorierte Lithografie von L. Lütke nach W. Pätz, um 1830. Das Rondell für den Obelisk mit der heute noch erhaltenen Pilarenbegrenzung wurde bereits von 1805–1808 gebaut. Im Vordergrund der 1829 angelegte Kirchteich.

 

Nach wie vor war der Maschinenbau der Schwerpunkt, was auch im Bau des Carlswerkes (1827) zum Ausdruck kam. Die Neue Maschinenfabrik (heute das begehbare technische Denkmal Carlswerk) wurdeerst 1865 erbaut.

Es gab nun einen Maschinenmeister und einen Hüttenmeister.  Hüttenmeister von 1844 bis 1863 war das Carl Bischof, der Mitbegründer des Vereins Deutscher Ingenieure, der 1856 in Alexisbad vom Akademischen Verein HÜTTE gegründet wurde.

1834 starb Herzog Alexius Friedrich Christian, der stets persönlichen Einfluss auf die Hütte nahm

 

Das war unter seinem Sohn Alexander Carl (1805 – 1863), der wegen seiner körperlichen und geistigen Schwächen mit einem Geheimen Konferenzrat regierte, kaum der Fall. 1855 besserte sich dies jedoch, als seine Frau, die Herzogin Friedericke, Mitregentin wurde. Sie nahm besonders auf den Eisenkunstguss Einfluss und förderte den damals schon bekannten Modelleur Johann Heinrich Kureck, der sich besonders durch seine Tierplastiken einen Namen machte. 1863 starb Herzog Alexander Carl.

Der Besiegte Hirsch

Abb.2 „ Der Besiegte Hirsch “ in Mägdesprung. J.H. Kureck 1862

 

Anhalt-Bernburg fiel an den Herzog Leopold IV. Friedrich von Anhalt-Dessau, der das gesamte Anhalt zum Herzogtum Anhalt vereinte. Er übernahm auch die Bergwerke und Hütten im anhaltinischen Harz. Um mehr Einfluss nehmen zu können, ließ er sich das 1828 erbaute Direktorenwohnhaus einrichten, das fortan das "Palais" war. 1871 starb Herzog Leopold IV. Friedrich, sein Nachfolger wurde Herzog Friedrich I. Unter seiner Regierung wurde 1872 die schon lange angestrebte Trennung von Haus- und Landesvermögen vollzogen. Damit war die Zeit der Herzoglichen Eisenhütte Mägdesprung beendet.

 

Die Berg- und Hüttenwerke und das Stahlbad Alexisbad gingen in den Besitz des Landes Anhalt über, das diese sogleich wieder verkaufte. Nach einigen Besitzerwechseln aus mehr spekulativen Gründen, bildete sich 1873 eine Aktiengesellschaft. Sie firmierte unter dem Namen "MÄGDESPRUNG – NEUDORF Eisen- & Silberhüttenbergbau Aktien Gesellschaft" und umfasste alle anhaltinischen Gruben und Hütten und Alexisbad. 1875 erfolgte die letzte eigene Eisenverhüttung. Danach wurde in Mägdesprung nur noch Fremdeisen verarbeitet. 1879 wurde diese Gesellschaft an Berliner Geschäftsleute verkauft. Schon 1880 kaufte von diesen der Harzgeröder Holzhändler und spätere Kommerzienrat Traugott Wenzel die Eisenhütte für 406.000 Taler. Ab 1882 hieß diese dann "MAEGDESPRUNGER EISENHÜTTENWERK von T. Wenzel". Maschinenbau und Kunstguss arbeiteten recht rentabel. Dies verbesserte sich dann noch 1887 mit dem Bau der Schmalspurbahn, der heutigen Selketalbahn, da sich die Transporte wesentlich verbilligten. 1898 überführte T. Wenzel den Besitz in eine Aktiengesellschaft, die Direktion übernahm sein Schwiegersohn Alfred Baentsch, die Firma hieß nun "MAEGDESPRUNGER EISENHÜTTENWERK AG vorm. T. Wenzel".

 

So etwa ab 1910 verzeichnete der Eisenkunstguss seinen Niedergang. Als Folge davon wurde die Hütte 1917 an die "Harzgeröder Maschinenfabrik GmbH", in der Dr. Max Horn (1881-1937) die Aktienmehrheit besaß, verkauft. Im gleichen Jahr bildete Dr. Max Horn mit dem Kommerzienrat Wilhelm Meyer eine Aktiengesellschaft. Es entstand die "MÄGDESPRUNGER EISENHÜTTENWERK GmbH MÄGDESPRUNG". Nach dem Tod von W. Meyer übernahm Dr. Max Horn alle Anteile. Wirtschaftliche Probleme und Auseinandersetzungen mit dem NS-Staat, die sogar zu seiner kurzzeitigen Inhaftierung führten, trieben Dr. Max Horn am 5. Mai 1937 in den Freitod.

 

Sein Sohn, Carl Horn (1908-1972) war der Alleinerbe. Neben den üblichen Hüttenerzeugnissen wurden in den 1940er Jahren im großen Raum der Alten Fabrik Zulieferteile für die Gasgeräteproduktion der Junkerswerke Dessau gefertigt. Im April 1945, beim Einmarsch der Amerikaner, brannte das Modellhaus an der Selke mit seinem kulturhistorisch so wertvollen Bestand an Maschinen- und Kunstgussmodellen ab. Nach der Besetzung durch sowjetische Truppen stand das Eisenhüttenwerk durch die sowjetische Militäradministration unter Sequester, kam aber schon 1946 wieder in den Besitz von Carl Horn, als festgestellt wurde, dass die Zulieferprodukte für Junkers nicht "kriegswichtig" waren. Die Produktion wurde von behördlicher Seite auf Gasgeräte und Herde beschränkt. 1959 wurde, gezwungenermaßen, die "Eisenhütte Mägdesprung Carl Horn KG" unter staatlicher Beteiligung gegründet.

 

1972 musste Carl Horn schließlich das Werk verkaufen, es entstand der "VEB Gas- und Heizgerätewerk Mägdesprung". Versuche die Tradition des Eisenkunstgusses wieder aufzunehmen, scheiterten aus Geldmangel. Die historischen Gebäude verfielen, wurden teilweise umgebaut und sogar abgerissen, wie 1982 das Carlswerk. Die wertvolle Kunstgusssammlung von Carl Horn, die schon sein Vater angelegt hatte, von Carl Horn aber leidenschaftlich vervollständigt wurde, blieb im Besitz der Familie Horn. Sie musste nach dem Tod von Carl Horn 1972 durch seine Witwe Hilde Horn an das Museum Schloss Allstedt verkauft werden, weil von der damaligen Leitung des Volkseigenen Betriebes die von der Familie Horn bisher genutzten Räume im Verwaltungsgebäude, in denen die Exponate präsentiert wurden, für die betrieblichen Erfordernisse zur Verfügung gestellt werden mussten. Im Schloss Allstedt wird sie als "Sammlung Horn" verwaltet und teilweise gezeigt. Etwa 50 Stücke sind als Leihgabe im Wehrgang des Schlosses Harzgerode ausgestellt.

 

Nach der Deutschen Einheit, wurde das Werk an die Familie Horn rückübertragen. Es bildete sich die kleine Firma "Mägdesprunger Eisenhüttenwerk GmbH Gas- und Kochgeräte", deren Produktion aber immer weiter zurückging. Eigentümer und Gesellschafter waren die beiden Töchter von Carl Horn, sowie Hans-Helmut Fechner, als geschäftsführender Gesellschafter. Die Last des Erhalts der historischen Gebäude der alten Eisenhütte und die gesellschaftliche Verantwortung für die Werterhaltung dieses bedeutenden Industriedenkmals ruhte nun auf den Schultern der Eigentümer, der sie aber wegen der hohen Kosten nur ungenügend nachkommen konnten. Das verbesserte sich auch nicht nach dem etwa 2007 erfolgten Verkauf des Verwaltungsgebäudes, des Stahlhammers und der beiden Wohnhäuser am III. Hammer, als sich die finanzielle Situation verbessert haben dürfte.

In der Neuen Maschinenfabrik konnte sich bis 1991 eine eingeschränkte Produktion auf dem Gebiet des Sondermaschinen- und Werkzeugbaus und auf dem Reparatursektor halten. Danach wurde sie "abgewickelt". Die Stadt Harzgerode pachtete von den Eigentümern das Gelände des ehemaligen Carlswerkes und das Gebäude der ehemaligen Neuen Maschinenfabrik mit den sich darin befindlichen Maschinen und Ausrüstungen zur dauerhaften Nutzung für das öffentliche Gemeinwohl. Es begannen denkmalpflegerische Maßnahmen zum Erhalt der historischen Maschinen und Werkstätten.

Das Museum „Carlswerk“

Abb. 3 Das Museum „Carlswerk“ in der großen Maschinenhalle von 1865

 

Seit 9.9.2002 befindet sich im Gebäude der Neuen Maschinenfabrik das Museum "Carlswerk", das vom Kultur- und Heimatverein Harzgerode und der Stadtinformation Harzgerode betreut wird. 2010, kurz vor der ersten Versteigerung, nahm die Stadt Harzgerode ihr Vorkaufsrecht wahr und kaufte das Museum mit den darin enthaltenen Maschinen und das Umfeld mit der Alten Schmiede.

 

Da in der alten Eisenhütte keinerlei Erhaltungsmaßnahmen erfolgten, setzte sich der Verfall, unterstützt durch skrupellosen Vandalismus, progressiv fort.

 

2006 hatte die Stadt Harzgerode die Alte Fabrik von den Eigentümern gepachtet und mit dem Eisenhüttenverein Mägdesprung einen Nutzungsvertrag zur Einrichtung eines Gießereimuseums abgeschlossen, für das ein abgestimmtes Konzept vorlag. Eingeleitete Untersuchungen ergaben, dass die Dachkonstruktion des Westflügels stark geschädigt war. Wegen der zu erwartenden Reparaturkosten, die die Möglichkeiten des Vermieters, der Stadt und des Vereins weit überschritten, wurde durch den Bürgermeister das Projekt Gießereimuseum ausgesetzt. Bemühungen um Fördermittel erbrachten lediglich eine Zuwendung von 23,5 T€ für eine Notsanierung des Daches. Weitere Fördermittel wären nur möglich gewesen, wenn die Stadt Besitzer des Gebäudes gewesen wäre.

 

Bis 2008 ging die ohnehin schon geringe Produktion der „Mägdesprunger Eisenhüttenwerk Gas- und Kochgeräte GmbH“ immer weiter zurück, führte schließlich 2009 zur Insolvenz und zur anschließenden Liquidation der Firma. Da eine Versteigerung absehbar war, hat der Eisenhüttenverein Mägdesprung, unterstützt durch den Kultur- und Heimatbund Harzgerode, eine umfangreiche Petition mit der Bitte um Unterstützung an das Kultusministerium in Magdeburg geschickt. Wir bekamen daraufhin nur die Bestätigung einer Sekretärin, dass das Dokument eingegangen sei. Mehr nicht! Ebenfalls in Erwartung der Versteigerung war es Anfang 2010 auf Beschluss des Stadtrates Harzgerode gelungen, in den Haushalt der Stadt 70 T€ einzustellen, um der Stadt ggf. zu ermöglichen, das Vorkaufsrecht für die Alte Fabrik wahrzunehmen. Als die Sache dann akut wurde, hat es der Hauptausschuss der Stadt Harzgerode auf seiner Sitzung am 7.10.2010 abgelehnt, die Alte Fabrik aus der Versteigerungsmasse zu kaufen. Auf Intervention des Eisenhüttenvereins hin wurde dann aber noch der Kauf von 500 m² des sog. Hüttenplatzes genehmigt, sodass der Stadt wenigstens die berühmten Kunstguss-Tiergruppen, die dort stehen, erhalten blieben. Glücklicherweise wurde auch der Ankauf des Geländes des Carlswerkes und der alten Schmiede befürwortet. Wohl auch, um der möglichen Rückzahlung von Fördermitteln für das Museum „Carlswerk“ zu entgehen, die bei einer Versteigerung fällig geworden wäre. Im Dezember 2010 wurde dann der Rest der Eisenhütte, der noch nicht verkauft worden war, durch ein Berliner Maklerbüro versteigert.

Der neue Besitzer hat das Objekt offensichtlich nur aus spekulativen Gründen erworben, da er es 2012 erneut versteigern ließ. Diesmal ging es an einen Besitzer, der nur darauf aus war, das Objekt auszuplündern, um möglichst viel Schrott verkaufen zu können. Dabei wurde die denkmalgeschützte Substanz weiter irreversibel geschädigt. 2018 wurde das Gelände im Auftrag oder mit Einwilligung des Besitzers durch Polen „aufgeräumt“, um Platz für angekauften Müll zu schaffen. Erst als im Dezember 2018 alles vermüllt war, wurde diese Aktion durch die Polizei endlich gestoppt. Der Niedergang der alten Eisenhütte hatte seinen Tiefpunkt erreicht!

Alte Fabrik nach Abzug der Polen

Abb. 4 Die Alte Fabrik nach Abzug der Polen (links einer der beiden Wohnwagen in denen sie mit ihren Wachhunden lebten)

 

Das Debakel um die Eisenhütte Mägdesprung, in deren Bereich sich 40 Einzeldenkmale befinden, die in der Denkmalliste des Altkreises Quedlinburg aufgeführt waren, führt zu der Frage:

 

Wie ist es möglich, dass im Deutschland nach der Wende, der Staat, das Land Sachsen-Anhalt, der Landkreis Harz und die Stadt Harzgerode es zulassen konnten, dass dieses Industriedenkmal nationaler Bedeutung von den Eigentümern nicht bewahrt und schließlich an verantwortungslose Besitzer verkauft wurde, ohne dass Gesetze diese offensichtlich spekulativen Machenschaften verhindern und ohne dass Gesetze und Auflagen des Denkmalschutzes den Verfall und die anschließende Vermüllung aufhalten konnten?

 

Nach dem völligen Niedergang der Hütte, und als dann 2018 auch noch der Gasthof „Kutscherstube“ abbrannte, schien Mägdesprung keine Zukunft mehr zu haben.

Da weckte Mitte 2019 eine Investorin, die sogleich begann, die Alte Fabrik zu restaurieren, große Hoffnungen in der Stadt Harzgerode, in Mägdesprung und bei unserem Eisenhüttenverein, dass in Mägdesprung doch noch nicht alles zu Ende ist und neues Leben einziehen könnte. Die Alte Fabrik ist jedenfalls schon in großen Teilen fertig und wartet nun auf eine neue Nutzung. Die Ausgrabung der Radstuben für die riesigen Wasserräder an der Nordseite des Gebäudes geben nun eine Vorstellung von der Leistungsfähigkeit unserer Vorderen und von der beeindruckenden Technik der damaligen Energiegewinnung mittels Wasserkraft.

 

Gekürzt aus: „Die Eisenhütte Mägdesprung“ von Wolfdieter Ludwig, "Mägdesprunger Hefte", Nr. 1, 3. Auflage 2019, 172 Seiten, ISBN-Nummer 3-9377648-15-1 (s.a. Publikationen)

 

Stand: 2020

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